Ich sehe es schon vor meinen Augen. Die Lobeshymnen auf sich selbst und die Mahnungen an das Volk, sich mehr anzustrengen. Die Forderungen an alle, die damals erkämpfte Freiheit zu bewahren. Jedes Jahr das Gleiche. Der „krönende“ Abschluß oder Auftakt durch den Bundespräsidenten. Der Obermahner und Besserwisser, ohne kritische Selbstreflektion.
Die Wiedervereinigung war ein Seegen, wenn man das historisch betrachtet. Betrachtet man es aber real im Hier und Heute, gab es viel zu viele Verlierer. Firmenzentralen, Führungskräfte, Behörden, Bundesämter u.v.m. völlig unverhältnismäßig zwischen Ost und West.
Immobilienbesitz und Kapital weit mehr in West wie in Ost. Viele Menschen, die zur Wende etwa 50 Jahre und älter waren, verlorne den Job, die Kinder die in den Westen zogen, die Würde sich selbst und die Familie zu ernähren. Die geschichtlichen Unterschiede und damit die Ost- Kultur wurden im Westen nie begriffen. Die Differenzen und Vorurteile auf beiden Seiten wurden nie aufgearbeitet. Die ländlichen Regionen haben im Osten ein völlig ärmlicheres Gesicht, als die im Westen. Die Anzahl der Protestwähler zum Beispiel hat auch sehr viel mit den vielen Versäumnissen zu tun.
Ich würde mir wünschen, dass sich die Politik an solch einem Tag dafür entschuldigt, soziologisch bei der Wende versagt zu haben. Dass man für die völlig anderen Probleme im Osten als im Westen Verständnis zeigt und den Menschen wieder ein Stück mehr Würde zurück gibt.
Die Party hat geopolitisch seine Berechtigung und sollte auch stattfinden. Ich erwarte aber, was wohl nicht passieren wird, dass man eher an die Altparteien, also an sich selbst, appelliert, mehr für die wirkliche Wiedervereinigung zu tun, als es immer nur vom Volk zu fordern. Die machen schon viel mehr daraus, als es die Politik verdient hat.
P.S. Sollte es wirklich einmal anders verlaufen, lasse ich mich sehr gerne eines Besseren belehren.